Muslimische Unternehmer stehen in einer Zeit, in der Social Entrepreneurship in Deutschland auf dem Vormarsch ist, vor besonderen Herausforderungen und Chancen. Dieser Artikel beleuchtet ihre Erfahrungen in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft und untersucht, wie sie durch innovative Geschäftsmodelle sowohl wirtschaftlichen Erfolg als auch sozialen Wandel fördern. Ein Artikel von Yolla Co-Founder Omar Halabi
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Wir alle haben dieses Video gesehen. Viele von uns haben immer noch den Ohrwurm. Manche waren geschockt, andere gelangweilt, wieder andere besorgt oder bekümmert. Das Video von feiernden jungen Erwachsenen geht um die Welt.
Bei Lanz eine Talkshow. Der Titel: „Muslime in Deutschland: Zunehmend isoliert?“ Drei Islamkritiker treffen sich und bashen die Community.
Wenige Tage später wieder eine Nachricht. Diesmal ist es ein Angriff. Es soll wohl ein Islamkritiker verletzt worden sein. Kurz darauf wird die Nachricht deutlicher. Eine brutale Messerattacke auf mehrere Menschen. Diesmal sind wir alle schockiert. Manch einer denkt aber auch: „Boah, bitte nicht schon wieder.“
Muslimische Unternehmer in Deutschland
Es sind News wie diese die uns ständig vor Augen führen: Du bist ein Muslim in Deutschland – und das kann auch mal kompliziert werden. Automatisch stellt sich jeder die Frage, ob damit vielleicht eine Verantwortung einhergeht. Wir haben alle die Stimmen unserer Eltern im Kopf: „Du musst doppelt so viel leisten, um es hier zu schaffen“.
Und wie geht man mit dieser Verantwortung um? Was muss man tun und wieviel?
Diese Allgegenwärtigkeit und die ständige Erinnerung daran, dass wir eben diese Sonderrolle in der Gesellschaft haben, lässt kaum zu, dass wir uns von diesem Anspruch lösen. Als wir yolla gegründet haben, haben wir schon sehr früh besprochen, dass wir die Flucht nach vorne antreten möchten. Wir begaben uns in eine Reise als Gründer in der Berliner Tech-Szene. Unsere Absicht haben wir klar formuliert: Wir wollten ein gesundes Startup mit großem Potential gründen. Dieses sollte eine Erfolgsstory werden. Dabei wollten wir unsere anerzogenen Werte beibehalten und die Flagge für jeden, der unter diesem Druck steht, hochhalten. Wir kommen aus der Community, für die wir ein Produkt bauen, dementsprechend haben wir uns der Verantwortung angenommen.
Muslimische Unternehmer: Müssen wir reagieren?
Trotzdem stellt sich bei solchen News immer wieder die Frage, wie wir als Startup darauf reagieren wollen. In der heutigen, sozialbewussten Welt sind Firmen nicht mehr nur einfach wirtschaftliche Konstrukte. Sie sind aktiver Teil der Gesellschaft mit entsprechender Verantwortung und einer Reichweite und Stimme, ob auf Social Media oder hinter den Kulissen. Aber heisst das gleichzeitig, dass man sich zu jedem heissen Thema äussern muss? Es gibt viele Beispiele von riesigen Unternehmen, die sich gesellschaftlichen Themen erfolgreich angenommen haben. Ein Beispiel aus der jungen Vergangenheit ist Nike im Kampf gegen Rassismus mit Colin Kaepernick. Für seine Protestaktion während der Nationalhymne bekam der NFL-Profi extrem viel Kritik. Selbst Donald Trump sah sich genötigt, ihn in einem Tweet zu beleidigen. Die Rassisten formierten sich und sorgten für seine Suspendierung. Nike reagierte mit einer groß angelegten Kampagne. Der Slogan lautete „Believe in something. Even if it means sacrificing everything” traf den Nagel auf den Kopf und gab den Betroffenen eine Stimme. Es hagelte Kritik – und trotzdem schossen die Verkäufe in die Höhe. Dazu bekam Nike als Firma, die seit Jahren mit schwarzen Sportlern überaus erfolgreich zusammenarbeitete, ein stärkeres Profil.
Muslimische Unternehmer: Ein Tanz auf der Rasierklinge
Es gibt trotzdem gute Gründe für ein Unternehmen, sich neutral zu verhalten. Es ist ein schmaler Grat sich bewusst zu äussern oder ein Thema für Marketing zu missbrauchen. Äussert man sich unsensibel oder uninformiert, läuft man Gefahr, Menschen, welche das jeweilige Thema wirklich betrifft, zu verletzen. Dazu kommt, dass es immer auch Stimmen der anderen Meinung geben wird, welche man auf dem Weg vergraulen oder verlieren kann.
Auf der anderen Seite steht, dass wir als Gründer und auch wir als yolla unsere Identität beibehalten und stärken möchten. Sich dieser Identiät bewusst zu werden, setzt voraus, dass wir uns Gedanken machen. Welche Werte wollen wir vertreten? Passen diese zu unserem Unternehmen? Falls ja, was sind die Themen, die uns laut werden lassen? Was erwartet unsere Community von Unternehmen, wie unserem? Erwarten Menschen, die ihr Halal-Fleisch von uns kaufen, überhaupt von uns, dass wir uns zu Themen äussern, welche sie beschäftigen?
Wir bei yolla stellen uns regelmässig 3 Fragen:
- Was ist unsere Haltung? Bei jedem aufkochenden Thema reflektieren wir unsere Grundwerte. Wie sehr betrifft es uns und unsere Community? Können wir unsere Haltung erklären und rational begründen, oder sind wir emotionsgetrieben?
- Welches Feedback bekommen wir? Beschäftigt es unsere Kunden, unsere Mitarbeiter, unsere Investoren und uns als Investoren? Wird ein Thema ohnehin ständig besprochen, dann ist es wahrscheinlich auch relevant für uns als Unternehmen. Sich nicht zu äussern, kann schnell ignorant wirken. Auf die internen und externen Stimmen zu hören kann essentiell sein.
- Wie können wir unsere Haltung kommunizieren? Nicht zuletzt durch Social Media haben wir als Unternehmen verschiedene Kanäle, mit unserer Haltung nach Aussen zu treten. Auch den Ton können wir mitbestimmen. Wir tun es mal durch eine Marketingaktion, mal durch Humor, oder indem wir in einem Podcast unsere Haltung vertreten. Dies setzt aber voraus, dass wir uns auch wirklich damit beschäftigen, und nicht blind dem Trend folgen. Unsere Community riecht, wenn jemand nicht authentisch ist.
Marketing Kung-Fu – Nimm die Energie und gib sie zurück
Der Schlüssel liegt also darin, mit klar gesetzten Statements seinen Standpunkt als Unternehmen zu kommunizieren. Nur so können wir dem Thema mit entsprechendem Respekt und Verständnis zu den verschiedenen Positionen begegnen. Und nur dann hält man auch den Gegenwind aus.
Als wir das Video aus Sylt sahen und die Reaktion mitbekamen, wussten wir sofort, was zu tun ist. Während viele aus der breiten Gesellschaft betroffen und geschockt reagierten, waren viele aus unserer Community weiter gelassen. Wir kennen solche Szenen seit unserer Kindheit, also belächelten wir diese Kids eher. Unsere Reaktion war also entsprechend: Wir kreierten den Gutscheincode „SYLT“ und versprachen 10% auf „ausländische Produkte“. Das Meme machte die Runde und wir erreichten die höchsten Aufrufzahlen jemals bei Social Media. Dazu kommt: Jeder weiss jetzt, dass sich yolla bei Rassisten nicht wegduckt!
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